Post tenebras lux – so steht es an der monumentalen Reformatorenmauer im Parc des Bastions im Herzen der Stadt Genf geschrieben. Ein biblisch inspirierter Sinnspruch, der im Kontext der Reformation im 16. Jahrhundert gegen das „dunkle“ Zeitalter gewendet war, aus dem nun zu neuem Licht und Erkenntnis aufzubrechen war. Dunkel sollte hier der Katholizismus sein, das Licht dagegen durch die reformierte Konfession hereinfluten. Die Geschichte der Stadt Genf ist maßgeblich von diesen Vorstellungen geprägt und noch heute befindet sich dieses Motto: Post tenebras lux – nach der Dunkelheit das Licht – im Wappen der Stadt und des Kantons Genf.

Die theologische Bewertung mögen gerne andere vornehmen, als Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern fühlten wir uns dafür nicht zuständig, obwohl in unseren Reihen durchaus geballte theologische und historische Kompetenz vorhanden war.

Der reformatorische Bezug zu den Erkenntnisquellen der heiligen Schrift (sola scriptura) und des reinen Glaubens (sola fide) brachte auch historisch gesehen eine gewisse Weltabgewandheit und Sinnenfeindlichkeit mit sich, die sich im 16. Jahrhundert durch strenge Regularien der Lebensführung für die Menschen in Genf ausdrückten. 

Wir reisten mit einfacheren Vorstellungen nach Genf.

Zum einen wollten wir uns weder die Weltabgewandheit noch die Sinnenfeindlichkeit zu eigen machen. Wir hatten vor, es uns einfach nur gut gehen zu lassen und – so muss man es im Rückblick durchaus sagen – wohl auch mit einigem Erfolg.

Zum anderen trieb uns zwar auch das Licht der Erkenntnis in einem eher profanen Sinn der touristischen Stadterkundung an, es waren aber vor allem die langen Sommertage im Juni, die so hell und freundlich waren. 

Man kann sicher noch weitere Deutungsvarianten des Mottos finden: Z.B. die pandemische Dunkelzeit, die unsere Reise zum eigentlich geplanten Zeitpunkt verfinsterte, auf die aber nun in diesem Jahr das Licht der wiedergewonnenen Freiheit folgte oder die wohltuende Belohnung für ein kurzes, dichtes und ereignisreiches Schuljahr 2022/23 uvm. 

Mit dem Kollegiumsausflug nach Genf setzten wir eine kleine Tradition fort, die 2015 mit der Fahrt nach Lissabon begonnen hatte. Die Destination ist nicht ganz zufällig gewählt. Es war eine Herzensangelegenheit unserer Schulleiterin und Kollegin Ute Tometten, nach Genf zu fahren, weil sie zu dieser Stadt eine besondere Beziehung und viele Jahre dort mit ihrer Familie gelebt hat. Als Expertin hat sie die Reise für eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen maßgeblich geplant, unterstützt von der Fachschaft Französisch. Allen Engagierten sei hier herzlich gedankt! 

Es hat sich gelohnt. Wir durften eine facettenreiche Stadt erkunden, die nicht nur allein durch die Lage am See und in den Bergen interessierte, sondern auch durch ihre Bedeutung in Geschichte und Gegenwart. Genf als reformatorisches und religiöses Zentrum haben wir schon (ein bisschen zumindest) erörtert. Der Besuch der UNO und des Palais des Nations hat uns spannende Einblicke in die historischen und gegenwärtigen Versuche einer auf Kooperation, Recht und Ausgleich basierenden Weltordnung gegeben. Hier ist 1919/20 der Völkerbund gegründet worden, der historische Vorläufer der heutigen UNO. Genf ist auch der Ort, an dem das Internationale Rote Kreuz gegründet wurde, die Stadt ist im selben Zusammenhang auch Namensgeberin für die Konventionen, bereits 1864 verabschiedet, die im Fall eines Krieges oder eines Konfliktes Humanität bewahren sollen.

Wir haben über und von Jean Piaget gelernt, der in der Stadt forschte und lehrte und für unseren Berufsstand ja nicht ganz unbedeutend ist. Auch ein gewisser Monsieur Rousseau ist Genfer Stadtbürger gewesen und hat Spuren weit über die Stadt hinaus hinterlassen.

Schließlich haben wir den Weg hinaus zum CERN (Centre européen de recherche nucléaire, Europäisches Kernforschungszentrum) gemacht und sind in die unvorstellbare und faszinierende Welt der Atome eingetaucht.

Soviel nun zum Licht als Großmetapher der Erkenntnis.

Licht in unsere Herzen hat aber auch die Geselligkeit gebracht, die wir an vielen verschiedenen Orten gepflegt haben: In Bistrots, Strandrestaurants oder in Parks, am Ufer des Sees oder unserer Herberge, in Booten und Bussen und nicht zuletzt auch im Zug auf der langen Rückfahrt. 

Christian König